Die Schwarzmeer-Runde '10
Russland
Wir wußten ja aus diversen Reiseberichten, dass ein Grenzübergang nach Russland unter Umständen mal ein bißchen dauert. In unserem Fall waren es 8 Stunden. So rund um Sieben abends waren wir auf ukrainischer Seite in den Prozeß eingetreten. Wie gesagt, aus Ukraine ausreisen, Fähre fahren, Russland einreisen. Die ersten beiden Schritte waren ja noch vergleichsweise einfach, aber dann... Nun, alles der Reihe nach. Sehr freundlich war ein ukrainischer Offizier, der uns zeigte wo und wie wir die richtigen Tickets für die Fähre kaufen. Wenn du nicht weißt, das in dem Schuppen da hinten der Schalter ist, du findest das nie, weil du überall nur nicht da den Ticketschalter vermutest. Er hat von uns die wichtigen Papiere eingesammelt, sie der Dame am Schalter überreicht und irgendwas ukrainisches geplaudert und wir bekamen unsere Tickets. Was für ein Service. Überhaupt war die ganze Ukraine ein sehr freundliches Land. Sodann gings weiter zur Ausreise. Das war nicht weiter schlimm, nur dass man in den Grenzanlagen an einer Stelle zu stehen kam, wo die Stechmücken schon parat standen um auf die Reisenden herabzustürtzen. War halt grade die Stunde am Abend, wo diese Burschen besondern aktiv waren. Und so richtig frisch wars ja nun auch nicht - sprich so verschwitzt waren wir natürlich erst recht Leckerbissen. Irgendwann gings dann ein Stück weiter zur Anlegestelle der Fähre. Warten. Mit dem Grenzsoldaten plaudern. Er hat sich mächtig über seine Stiefel beschwert - die seien schon ausserordentlicher Mist. Vor allen Dingen, wenn du die ganze Schicht über nur die Anlegestelle bewachst. Es ging dann mal weiter auf die Fähre. Ist ja nichts so aussergewöhnliches, die Überfahrt dauert grad mal 20min. Tja, und dann gings los. Runter von der Fähre und erst mal in der Schlange Stillstand. Irgendwann kommt ein Grenzer vorbei, drückt dir einen Zettel in die Hand und marschiert wortlos weiter. Das muss wohl so ein Einreiseformular sein - ok dann füllen wir es halt aus. Oha, alles kyrillisch. Jetzt wirds hart. Im Prinzip hätten wir es schon entziffern können, einen kleinen Sprachführer habe ich ja dabei. Die Frage ist nur, wie lange haben wir Zeit dazu? Also los. Was kommt da oben rein? Nun, wahrscheinlich Name und dann Vorname... Die kasachstanische Familie vor uns bemerkte dann irgendwann unser Elend. Zu viert halfen sie uns das Formular auszufüllen. Vater übersetzte so halbwegs Englisch-Russisch, Mama definierte, was wir wo einzutragen haben, für uns völliger Blindflug übers kyrillische Formular. die Kinder organisierten irgendwelche Strassenatlanten aus dem Auto damit wir auch eine vernünftige Schreibunterlage haben. Was für eine Hilfsbereitschaft. Zu allem Überfluss bekamen wir noch Souveniere geschenkt! Wir konnten einfach nur staunen. Wie sich später leider rausstellte haben wir irgendwo doch einen kleinen Fehler in dem Formular gehabt und mussten es nochmal ausfüllen - allerdings war das dann nicht weiter schwierig, wir konnten das alte ja abschreiben und da wo der Fehler war, deutete die Grenzbeamte schon hin mitm Kugelschreiber. Pass und Visum in Ordnung, Fahrzeugpapiere auch, nur dass (schönen Dank an die HUK-Versicherung, die sich standhaft weigert, Russland auf die grüne Karte zu nehmen) wir also noch eine Versicherung fürs Mopped brauchen. Noch ein Formular ausfüllen damit dann weiter zum nächsten Schalter draussen ums Eck um die tatsächliche Police dann ausstellen zu lassen. Schätze in dem kleinen Kabuff hats etwa 35°C gehabt, draussen vielleicht 25°C aber Tür offen lassen iss nich weil sonst die Mücken kommen. Schade eigentlich, dann schwitzen wir halt weiter. Sehr gewissenhaft Ausfüllen dauert einfach seine Zeit, irgendwann haben wir auch das dann geschafft, also mit der Police wieder zurück zur Grenzbeamten die dann letztendlich den Segen zur Einreise gab. Das einzige was jetzt noch fehlte war eine Schlafmöglichkeit, schliesslich war es ja schon rund 02:30 in der Früh! Stefan fragte die Grenzerin nach einem Hotel und die deutet einfach nur mit dem Zeigefinger senkrecht in die Höhe. Was soll das heißen - "Weiss nur der Herrgott wo ein Hotel ist" oder so? Doch da staunste, direkt im Stockwerk über der Grenzstation gibt es ein Hotel! Preis fair, Zimmer in Ordnung, alles klar. Wau, von 19:00 Uhr Ankunft an der Kercher Grenzstation/Hafen bis fertig in Russland eingereist um 03:00 ziemlich genau 8 Stunden. Der Zeitplan ist recht straff. Die Fähre von Sochi nach Batumi fährt ja nur Sa und Di - wäre doof wenn wir am Sonntag aufschlagen. Also a bisserl Stoff. Leider degenerierte die Strecke in Russland zu einer Rally Richtung Sochi. Heute ist Freitag, wir wollten am Freitag in Sochi sein, damit mit der Fähre nach Georgien alles klar geht. In Novorossiysk haben sie einen Eisenbahnwagon als Mahnmal bezüglich einer Begebenheit im 2.Weltkrieg aufgebaut. Dieser Eisenbahnwagon ist als solcher noch zu erkennen, besteht aber doch hauptsächlich aus Einschusslöchern und Dellen, die die Projektile hinterlassen haben. Ein Wahnsinn was sich da abgespielt haben muß (1942-1943). Überhaupt ist der 2.Weltkrieg irgendwie schon noch ziemlich präsent in Russland. Viele Mahnmale, aber auch in den Köpfen der Leute. Bei einer Pause sprach uns ein Russe unseres Alters mehr oder mindern hasserfüllt drauf an, in wie weit unsere Väter oder Großväter denn im Krieg dabei gewesen seien. Wir antworteten vorsichtshalber nur mit Gesten dass wir sprachlich nichts verstehen von dem was er sagt. Ein Moskauer Rentner, der am Nachbartisch saß, guggte genauso erstaunt und irritiert aus der Wäsche wie wir. Er wiederum hatte eine weitaus versöhnlichere Einstellung drauf, er meinte dass das doch nun schon so lange her ist und alle daraus ihre Lehren ziehen sollten. Wir können als Nachkriegsgenerationen doch nichts mehr dafür, sagt er - er der die Auswirkungen des Krieges noch am eigenen Leib gespürt hat und dessen Familie auch Tote zu beklagen hatte. Ganz in der Nähe schaffte es eine kleine Wolke am (zum allergrößten Teil strahlend blauen) Himmel, uns fast vollständig durchzunässen. Ein Schauer, vielleicht 1-2 Minuten, aber mit geschätzt aprikosengroßen Regentropfen. Was, wenn hier mal richtige Wolken aufziehen und nicht nur ein so vereinzeltes Ding am Himmel hängt. Das müssen ja dann Unwetter werden. Hurtig gings dann weiter, geradewegs auf Sochi zu. Scheint so, als wäre diese Strasse (M4, M27) die einzige Verkehrsader, die nach Sochi führt. Entsprechend dramatisch war der Verkehr drauf. PKWs, Lieferautos, Schwerlastverkehr, alles was irgendwie Räder hat ist auf dieser Strasse unterwegs, und zwar gleichzeitig. Ansich eine nette Strasse, mehr oder minder an der Küste entlang mit den einen oder anderen Kehren. Eigentlich herrlich fürs Moppedfahren, aber bei dem Verkehr kein Spass. Habe noch nie einen Auflieger von nem Sattelzug in einer Rechtskehre die den Berg raufgeht, in der Mitte aufsitzen sehen. Russland machts möglich. Nach diesem Wahnsinn an Strasse haben wir uns in Sochi, zumal es schon nach zehn Uhr abends war, ein schönes Hotel gegönnt. Etwas irritiert waren wir dann schon, als es dann nochmal an der Tür klopft und ein im Feinrip-Unterhemd gekleideter Herr uns fragte "You need girls?" ... Also ehrlich, was meint er denn damit nur? Sochi ansich ist eine recht schöne Stadt. Und scheinbar noch viel schöner wenn es nach Mitternacht wird. Da gehts dann richtig rund in der City. Da gehen die Partys los. Insgesamt scheint dort aber im Wesentlichen die Schönheit und das Geld, ja eigentlich nur das Geld zu regieren. Wenn bei uns einer meint recht stolz auf sein SUV sein zu müssen, dann soll er mal nach Sochi schauen. Mit sowas Popeligem wie beispielsweise einem X6 machst da keinen Punkt, höchstens einen ganz kleinen. Keine Ahnung woher die ganzen Limos, SUVs, Bentleys, Rolls usw. so kommen bzw. durch welches Geld die bezahlt sind. Naja, vielleicht fährt unser Feinripmensch auch so ein Ding. Irgendwie haben wir hier schon den Eindruck gewonnen, dass hier Geld zählt und sonst nichts, garnichts. Haste Kohle, kannst dir alles erlauben, haste keines geht nix. Je näher uns wir diese Situation angesehen haben, desto unangenehmer wurde es und wir fühlten uns in Sochi eigentlich garnicht mehr so richtig wohl. Obendrein muß sich Sochi bzw.die lokale Hotelerie/Gastronomie fragen lassen, wie die denn in vier Jahren die Olympiade gebacken kriegen gedenken, wenn kein Einziger auch nur ein Wort Englisch spricht. Gut, wir hätten schon gut daran getan, Russisch zu lernen, aber grade in Sochi dachten wir sollte es mit Englisch doch leichter gehen. Irrglaube. Trallalla, das mit der Fähre nach Batumi war blos Spaß. Da geht nix. Nur Personentransport mit einem Schnellboot. Allerdings bleibt so eine Restunsicherheit, ob die am Schalter uns wirklich alles gesagt haben. "Is there a ferry to Batumi?" "Njet." Irgendwie würde man denken, da käme dann noch was, sowas wie "Njet, only a speedboat" oder "Njet currently not, maybe next year" oder so, aber nein, nur Njet und Punkt. Es ist dem grossen Land Russland wahrscheinlich wirklich unfair gegenüber, aber so richtig warm konnten wir mit den Russen auf diese Art nicht werden. Haben immer den Eindruck gehabt, unerwünscht zu sein, so nach dem Motto "Uuhm, komm blos nicht zu mir, bringst mir ja nur Probleme". Ich denke mit zumindest rudimentären Russischkenntnissen ginge es schon weitaus besser. Also mussten wir umdisponieren und runter in die Türkei, nach Trabzon. Von der Türkei aus nach Georgien ist überhaupt kein Problem, von Russland aus sehr wohl. Also gut, nachmittags um 16:00 wird sie abdampfern, kurzerhand die Tickets gekauft. 9500 Rubel für Nase und Maschine. Also wie gesagt, wahrscheinlich haben wir mit dieser Ecke Russland die für uns Unpassendste erwischt, aber auf der Fähre (Rumänisches Schiff mit türkisch/georgischer Besatzung) wars irgendwie ein richtiges Aufatmen. Eine ganz andere Stimmung! Und erst mal einen Tee. Hah, Türkei lässt grüssen, und das schon im Hafen von Sochi.
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